Wie erwartet kam es auf den Champs-Elysées allen Ausreißern und ihren Attacken zum Trotz zum Massensprint. Doch nicht Mark Cavendish hatte Nase und Rad vorn sondern diese Prestigeetappe schnappte ihm Wout van Aert weg. Nur ein kleiner Makel für Cavendish, dessen wichtigste Mission war, das Grüne Trikot auch in Paris zu verteidigen. Dominator Tadej Pogacar und Team feierten den siegreichen Einzug in der französischen Hauptstadt als würdige Gladiatoren. Trotz der Vormachtstellung des jungen Slowenen eine sehr spannende Tour, die wenige Tage vor dem olympischen Straßenrennen endete, bei dem wir einige der Top Ten - Pogacar, Carapaz, Keldermann, G. Martin, Uran - wiedersehen werden.
Das Wetter zeigte sich beim Finale der 108. Auflage der Tour de France von seiner besten Seite: blauer Himmel und strahlender Sonnenschein. Ganz im Gegenteil zur ersten Woche und den Etappen in den Alpen. Statt der erwarteten hochsommerlichen Temperaturen verlangten die Fahrer zeitweilig nach dicken Handschuhen, um sich gegen die Kälte zu schützen. Dazu kam die Nervosität im Feld insbesondere bei den Streckenabschnitten in der Bretagne. Wetter, Hektik, mangelnde Konzentration und hohes Tempo (mit 41 km im Gesamtschnitt eine der schnellsten Rundfahrten) im engen und winkligen Parcours sorgten für viele Stürze und sturzbedingte Ausfälle. Von den 184 in Brest gestarteten Fahrern der 23 Mannschaften kamen 141 in Paris an. Zu den 43 ausgeschiedenen oder im Hinblick auf Olympia ausgestiegenen Profis gehört mancher Favorit auf die Gesamt- und die Sprintwertung oder auf Etappensiege - wie Roglic, T. Martin, Van der Poel, Ewan, Démare, Sagan. Fazit nach 21 äußerst intensiv und in hohem Tempo absolvierten Etappen: die noch junge Radsport-Nation Slowenien dominiert die aktuelle Szene - eigentlich wie bereits 2020, als zwei Slowenen auf den Plätzen 1 und 2 landeten. Diesmal kam Mohoric dazu. Pogacar konnte seinen Vorjahrserfolg mit großem Vorsprung wiederholen (ebenfalls in der Bergwertung), überraschender Zweiter wurde der junge Däne Vingegaard, der bei Jumbo Wisma für Roglic in die Bresche sprang; Ineos wurde für seine Mühe zumindest mit Platz 3 für Carapaz belohnt. Das größte Comeback feierte Sprinter Cavendish, der den Uralt-Rekord von Merckx mit insgesamt 34 Siegen einstellte. Aus deutscher Sicht wenigstens ein Etappenerfolg von Nils Politt und für sein Team Bora Hansgrohe durch Wilco Keldermann Platz fünf in der Gesamtwertung.
Sämtliche Attacken in Paris erfolglos
Das Feld der 141 startete 16:15 Uhr in Chatou. Die Präsentation der Siegertrikots und der (dezimierten) Mannschaften leitete seit Jahren die letzte Etappe ein. Letztmalig dabei war André Greipel, der „Gorilla von Rostock“, der seine Karriere in Paris beendete. Nach 7 km kassierte Mikkel Bjerg vom Team des Gesamtsiegers auf der Côte des Grès schelmisch lächelnd den letzten Bergpunkt der Tour 2021. Weiterfahrt in gemächlichem Tempo an vielen historischen Gebäuden (Versailles) vorbei nach Paris, wo sie ca. zwei Stunden nach dem Start erstmals über den den Hof des Louvre fuhren. Noch 56 km und schon bogen sie auf die Champs Elysées ab. Noch in geschlossener Formation. 7 Runden. Der Erbacher Tour-Debütant Jonas Rutsch (EFN) eröffnete als Erster auf der Ziellinie das Spiel der Attacken und zog gleich ein Dutzend mit sich. Der Rest des Feldes setzte jedoch entschlossen nach. Neue Attacke u.a. mit Bissegger, Pedersen, Sweeny. Konter von Pollit und Konrad. Den Zwischensprint gewann Bissegger 20 Sekunden vor den Sprintassen. Hier düpierte Cavendish mit Anfahrer Morkov erneut Matthews & Co. Kurz darauf geschlossenes Feld. Und die nächste Attacke. Von Bora diesmal Schelling dabei. Dazu Alaphilippe. Himmelsstürmer am Boden und am Himmel - die Flugstaffel markierte die französischen Flaggenfarben. Schelling, Valgren und van Moer 23 Sekunden voraus. Noch 10 km - der Vorsprung der Spitzengruppe sank. Die Glocke zur letzten Runde. Kurz darauf alle zusammen. Politt versuchte es erneut. Doch Cavendishs Team blieb aufmerksam. Aber die Konkurrenz hatte noch nicht aufgegeben. Das Finale. Cavendish verlor das Hinterrad von Morkov. Faszinierender Schlusssprint, den mit überragendem Finish Wout von Aert für sich entschied. Gestern Sieger im Zeitfahren und heute sein 3. Tagessieg. Zweiter Philipsen, Dritter Cavendish. Und hervorragender Fünfter zum Abschluss seiner Karriere: André Greipel.