Schon am Vortag hatte Ex-Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara die Segel gestrichen, weil er seine Olympia-Ambitionen nicht gefährden wollte. Wer in Abwesenheit von Spartacus seinen Nachfolgern im Regenbogen-Trikot, Tony Martin (2014) oder Vasil Kiryrienka (2015) die Favoritenrolle zuschrieb, hatte das Streckenprofil mit Steigungen über 10 und zeitweilig 14 % nicht berücksichtigt. Vorteil Bergfahrer! Nach den ersten 90 Startern lag Cofidis-Kletterer Nicolas Edet mit 32'37'' an der Spitze. Auf ihn hatte Tony Martin bereits 1'38'' und Kiryienka sogar 3'41'' Rückstand. Ob sie sich im Auftrag ihrer Teams für die letzten Etappen geschont hatten? Jedenfalls war Martin zu diesem Zeitpunkt bester Deutscher. Auch der unermüdlich attackierende Peter Sagan lag knapp zwei Minuten über Edets Bestzeit.
Neue Bestzeit: Tom Dumoulin
Dann wurde Edet gleich mehrfach durch Allrounder vom heißen Stuhl verdrängt: Romain Sicard, Nelson Oliveira und Jérôme Coppel. Doch auch ihnen war dieses Vergnügen nur kurz gegönnt: Ion Izaguirre war noch schneller unterwegs: 31'46''. Als Simon Geschke, der Kletterer im Team von Giant-Alpecin, ins Ziel kam, war er 36 Sekunden schneller als Spezialist Martin und mit 33'39'' bester Deutscher. Auch Emanuel Buchmann kam dagegen nicht an. Als der Sieger des anspruchsvollen Zeitfahrens in der Ardèche, Tom Dumoulin, auf die Strecke ging, rechneten die Experten mit einer neuen Bestzeit. Und tatsächlich war er sogar eine halbe Minute schneller als die davor von Thomas de Gendt gegenüber Izaguirre gesetzte Bestzeit und blieb mit 31'04'' nur knapp über 31 Minuten. Ob der fliegende Holländer erneut den Klassementfahrern das Nachsehen geben konnte? Jedenfalls arbeiteten sich auch die ersten Favoriten an der Referenzzeit des Holländers vergeblich ab.
Der Letzte war am Ende der Erste
Als die ersten Zehn in der Gesamtwertung auf der Strecke waren, stieg die Spannung. Rasch wurde klar, dass Nairo Quintana, vor Tour-Beginn stärkster Konkurrent von Christopher Froome, wieder nicht die Beine haben würde, den Engländer zu attackieren. Im Ziel lag er 48 Sekunden hinter Dumoulin. Aru und Porte belegten gemeinsam mit 12 Sekunden Abstand Platz 2, Bardet war 4. Mit 21 Sekunden auf den Führenden blieb er im Gesamtklassement drei Sekunden vor Porte. Der bisherige Dritte, Adam Yates, verlor ebenso Zeit wie der aktuell Zweite, Bauke Mollema, beide konnten aber ihre Plätze vorerst behaupten. Aber das Sahnehäubchen auf seinen bisherigen Auftritt bei der Tour de France setzte der Mann im Gelben Trikot, Christopher Froome, der von Zwischenzeit zu Zwischenzeit immer stärker wurde und den zunächst gemessenen Rückstand in einen Vorsprung von 21 Sekunden vor dem bis zum letzten Fahrer führenden Dumoulin umwandelte, seinen Vorsprung im Gesamtklassement weiter ausbaute und damit seine überragende Form erneut unter Beweis stellte.
Spannung auf den Plätzen
Vor der drittletzten Etappe führt Froome mit fast vier Minuten Vorsprung die Rangliste der ersten Zehn an. Ihm sollte nach seinem heutigen zweiten Tagessieg der dritte Tour-Erfolg nicht mehr zu nehmen sein. Nach Platz 1 versprechen jedoch die knappen Zeitabstände zwischen Mollema, Yates, Quintana, Bardet, Porte & Co ein ultra-spannendes Finale der diesjährigen Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt im Kampf um einen Platz auf dem Podium in Paris.
Etappenrückblick
21 Juli 2016
- 17:57
Der Chef heißt Froome
Tour de France 2016 | Etappe 18 | Sallanches > Megève